Kim Jiyoung, geboren 1982

Die Eckdaten


Auf 208 Seiten schreibt die südkoreanische Autorin Cho Nam-Joo über das sehr normale Leben von Kim Jiyoung. Der rote Einband mit einer Frau, die den Titel des Buches als Zensurbalken trägt, erweckte meine Aufmerksamkeit. Ganz neu lag es in unserer Bücherei aus und jetzt habe ich es endlich mitgenommen.
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Cho Nam-Joo schrieb das Buch bereits 2015 in Südkorea und sorgte dort für sehr viel Aufsehen, da es ein Thema anpackt, das noch fest in allen Gesellschaften verwurzelt ist. Es gab 2019 eine südkoreanische Verfilmung, die ebenfalls für viel Aufsehen sorgte.

Der Klapptext


"Der Sensationserfolg aus Südkorea, der weltweit für Furore gesorgt hat. 'Kim Jiyoung, geboren 1982' zeigt das schmerzhaft gewöhnliche Leben einer Frau in Korea und gleichzeitig deckt es eine Feindlichkeit gegenüber Frauen und Müttern auf, die uns allen - egal, wo auf der Welt - nur allzu bekannt vorkommt."

Meine Meinung


Cho Nam-Joo schreibt über das völlig normale Leben von Kim Jiyoung, die Anfang der 1980er in Seoul geboren wird. Wir begleiten Jiyoung durch ihr Leben bis in ihre Mittdreißiger. Sie verhält sich in den Augen ihres Mannes seltsam und geht zu einem Therapeuten, der auch der Erzähler des Buches ist.

Jiyoung wird in eine nicht sehr wohlhabende Familie hineingeboren, der Vater ist Beamter, die Mutter ist Hausfrau. Sie ist das zweite Kind und dazu ein nicht gern gesehenes Mädchen. Hier streut die Autorin Cho Nam-Joo auch die ersten Fakten, die sich sehr grauenhaft lesen, denn weibliche Föten dürfen offiziell abgetrieben werden, eben nur weil sie weiblich sind. Genau das passiert mit dem dritten Kind, als klar wird, dass es ein Mädchen wird. Erst das vierte Kind wird ein Junge und er wird mit offenen Armen empfangen und mit viel mehr Privilegien bedacht als seine beiden großen Schwestern.

Dieser Faden zieht sich durch das Leben von Jiyoung, ihrer großen Schwester und auch ihrer Mutter. Es ist geprägt von Diskriminierung, Gewalt und Sexismus. Frauen haben nichts zu melden, sie sollen am besten unsichtbar sein. Sie sollen gut in der Schule sein, sich aber den Lehrern und männlichen Mitschülern beugen. Sie sollen sich ihren Brüdern und Vätern beugen, ihren Mitstudenten, ihren Kollegen und ihren Ehemännern. Karriere gibt es nicht, denn Frauen bekommen Kinder und sollen Hausfrauen sein, die das hart verdiente Geld ihrer Ehemänner nicht unnötig verschwenden.

Zwar versuchen die Mädchen und Frauen der 1980er sich zu befreien, immer mit viel Widerstand und wenig Erfolg, aber einigen Frauen gelingt es teilweise. Sie machen Karriere, sie bekommen Lehrstühle an der Uni, sie machen Ladengeschäfte auf und investieren in Aktien. Und trotzdem stoßen sie, stößt Jiyoung, immer auf Hindernisse, die die Gesellschaft ihr aufdrückt.

Und das Unglaubliche an dem Buch ist, dass sich jede einzelne Frau in irgendeiner Situation wieder findet. Sei es das Angrapschen in der U-Bahn, Absagen bei Stellenbewerbungen wegen des Geschlechtes oder das Aufgeben des Jobs wegen der Kinder. Jede Frau kann irgendein Beispiel aus ihrem Leben nennen, das Jiyoung in diesem Buch erlebt.

Gespickt ist das Buch mit vielen Verweisen auf diverse Statistiken oder Untersuchungen, die viele Situationen wissenschaftlich untermauern. Genau das macht das Buch noch viel unglaublicher und erschreckender.

Ich habe das kleine aber gewichtige Buch an einem Tag verschlungen. Sprachlich sehr nüchtern, werden die Ereignisse aneinander gereiht. Es ist kein Roman, kein wissenschaftlicher Bericht und keine Biografie, es ist irgendwie alles zusammen. So oder so zeigt das Buch, dass Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau in der Gesellschaft nach wie vor nicht angekommen ist, auch wenn es überall gesagt wird. Sicher hat sich viel getan, aber noch lange nicht genug. Es muss noch viel passieren und es ist klar, dass sich die Gesellschaft nicht über Nacht komplett ändern wird und kann.

Genau deswegen finde ich das Buch sehr lesenswert, denn es stößt ganz unverblümt auf diesen Missstand und zeigt, wie tief dieses Ungleichgewicht in unserer Gesellschaft noch verwurzelt ist.

Die Zusammenfassung


Titel: Kim Jiyoung, geboren 1982
Autorin: Cho Nam-Joo
Übersetzerin: Ki-Hyang Lee
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
Seitenzahl: 208
Auflage: 1
Erstveröffentlichung: 2021